Buchcover
Peter Rosei

Viel früher

Gedichte aus 20 Jahren
1998
gebunden , 13 x 21 cm
64 Seiten
ISBN: 9783854204923
€ 15,50

AUTOREN

Textauszug

Der Bärenprinz

Die großen Leiber, die Zinnen einer Art von
Glück: Aus diesen Höhlen grub ich nichts:
Pech gehabt! Früher hielt man Pfauen, das
Federvieh zu schützen, das dumme Glück! Ich
habs probiert, weiß Gott! Schau einem sol-
chen Leben zu: Du siehst Gespenster laufen.

Unterm Dach hängt Wäsche, sie gefriert; die
Frau schöpft Wasser in den Bottich, ihr Haar
hängt in die Brühe: Unterhosen grundeln!
Im Dampf umflüstern sie die Stimmen, das
Wiesel streckt die Schnauze aus dem Loch:
Tausend Egos! Den Schweinekerl faßt du nie!

Jetzt flennt er! Die Hunde bellen: Schnee!!
In Wannen wuschen sie die Därme aus, die
platzten: Rote Früchte; süß! Wir töteten den
Bären nicht; der starb von selber! Was kle-
ben bleibt, wischt man ab. Im Ausguß sam-
melt sich der Rest. Er wird vergessen.

1978 waren von Peter Rosei zwei Gedichtbände erschienen, 118 Gedichte insgesamt, Das Lächeln des Jungen und Regentagstheorie. Zwanzig Jahre danach folgen wieder 45 Gedichte, die sehr konzentrierte Produktion zweier Jahrzehnte, eine in jeder Hinsicht außergewöhnliche Produktion.

Sparsam sind diese Gedichte, einfach, unkompliziert, von dieser friedvollen Sanftheit, die auch Roseis erzählende Literatur auszeichnet. Und erzählt wird auch in den wenigen Zeilen dieser Gedichte: »Wir stiegen einst zum Wald hinauf,/ ausgefahrene Rinnen/ verliefen sich im Unterholz: Blaubeerwolken./ Hier war kein Weg./ Wir hielten vor Baumstümpfen, vor/ Felsen./ Dann kehrten wir um und/ gingen zurück.« Erinnerung heißt dieses Gedicht.
Das ist so ruhig, so sanft, so schön, dass es gar nicht wahr sein kann. Und tatsächlich sitzt ein Stachel im Fleisch dieser Gedichte, eine Trauer, ganz knapp unter dem Gesagten. Ist das der Preis, um den wir das Glück, auch das des Gelingens, nur haben können?

»Oben sind Löcher in den Schuhen; dort/ steckst du die Füße hinein. Noch sind/ die Schuhe leer, sie stehen auf dem/ blanken Küchenboden; du sitzt da und/ fädelst die Schnürsenkel ein.« Eine Erinnerung oder ein Stilleben – vor dem Aufbruch, vor der Tat, vor dem Moment, nach dem vielleicht nichts mehr in Ordnung ist. Nichts davon aber wird ausgesprochen, nicht die Ängste, nicht die Katastrophen, nicht die Schrecken.

Top