Buchcover
Hansjörg Zauner

JOLLY

Prosastücke
1999
gebunden , 13 x 21 cm
136 Seiten
ISBN: 9783854205227
€ 15,50

AUTOREN

Textauszug

jedes wort hat ein loch sagt der spiegelverkäufer in belleville. man muß nur hineinfinden. aber der code frage ich.
was passiert wenn ich bildstangen in das wortloch hineinhalte. könnte ich mich mit einer doppelbelichtung vielleicht hineinschwindeln. ich fotografiere mich also indem ich mich ausspreche und schon bin ich drinnen. dort ist nichts als säure. dort ist nichts anderes als wortsäure. die wortsäure geht in meine löcher über. wir vermischen uns. der spiegelverkäufer in belleville ist der zuhälter der wörter das wird bekanntgegeben.
durch das sichtbare können wir das hörbare eincremen.
so ist das. so steht es auf der karte. die karte wird gezogen und ist ein joker für den ast das steht fest.

unlängst ist ein bus mitten in alle wörter hineingefahren also hineingesplittert meint ein geräusch. wortblut machte das zunähen der wunden fast unmöglich. also mußte die luftnähmaschine ran. das zunähen der nadeln war hingegen ganz leicht. mit der zunge haben wir es gemacht.
eine verletzungsgefahr ist hier nicht gegeben. meine haut kann jetzt hören und saugt alle bilder aus der umgebung und bleibt dennoch hier. das stinken riecht die nase sie wird nachgetragen. macht nichts. nur ein loch splittert in die landschaft.

Hansjörg Zauner legt mit seiner Prosasammlung JOLLY einige dieses Genre neu umreißende Texte vor: Der Vers, der »nur mehr unterirdisch rauscht in den Regulierungen der Prosa« (Heimito von Doderer), wird von Zauner wieder an die Oberfläche des Textflusses gespült. Dort treibt er entfesselt von Klang zu Klang, von Bild zu Bild und kümmert sich um sprachinterne Kombinatorik mindestens ebenso wie um den textexternen Zusammenhang einer zu erzählenden Geschichte. Diese wird getragen von einem Text-Ich, z. B. von der Figur JOLLY, die wie Zauner durch die Subkultur und die Nächte von Paris, Stadtteil Belleville, sich treiben lässt.

Zauners Prosa setzt die Wahrnehmung der Außenwelt innerhalb der eigenen Schädeldecke an: Was so entsteht, ist eine sprachliche Synthese von Fotografie, Film, akustischen und optischen Phänomenen, bildender Kunst und Sprachkunst. Innerhalb einer solchen selbstgeschaffenen Sprachwirklichkeit erweist sich das Text-Ich mit zunehmender Objektverwechslung als einsam und mitunter melancholisch.

Presse

»In seinen eleganten, verblüffenden, schrägen, manchmal geradezu erhebenden, um nicht zu sagen berauschenden Varianten (…) bringt Zauner Chaos und Ordnung zusammen und entwirft eine phantastisch schillernde Sprachwelt, die der Ausschmückung keines einzigen Adjektives bedarf. (…) Er holt die Sprache aus dem Gefrierfach (womit wir wieder beim ›Jolly‹ wären), heraus in einen Raum, in dem sie ihr Aroma wiederfindet, ihren Duft, die Kopfnote statt der Fußnote, auch wenn sie sich damit dem Prozess der Veränderung, konsequent auch der Vergänglichkeit aussetzt. Selten wurde Sprache dermaßen organisch aufgefasst und dargestellt wie im Driften der Textzellen Zauners.« (Petra Nachbaur)

Top