Buchcover
Elfriede Gerstl

neue wiener mischung

Gedichte und anderes
2001
gebunden , 13 x 21 cm
176 Seiten
Mit einem Nachwort von Konstanze Fliedl.
ISBN: 9783854205586
€ 19,00
als ebook erhältlich

AUTOREN

Textauszug

schritte

ich habe schritte getan
ich habe schritte unterlassen
ich habe das unterlassen unterlassen
aus bequemlichkeit bin ich fort und fort geschritten
wohin soll mich das führen.

ich könnte mich auch liegenbleibend
was duftes philosophisches fragen
(woher komm ich/wohin geh ich/warum bin ich ich)
und bei haschisch und sauerkohl
mein leben beschliessen.

kein fortschritt wenn ich mich gehen lasse
kein rückschritt wenn ich mich liegen lasse
auf blaue nebel fehlt mir der appetit
ferne ziele liegen mir fern
ich kokettiere nicht mit der wahrheit
ich bin nicht klein genug für den grössenwahn.
ich übe mich im spazierengehen
in den vernünftigen grenzen
mal umsehen
mal brillen wechseln
meine schritte bilden ein muster
mit der zeit gehe ich genauer.

1982 erschien eine Sammlung von Gedichten und Kurzprosa mit dem Titel wiener mischung. Fast 20 Jahre später stellt Elfriede Gerstl nun eine neue Mischung zusammen, die einiges aus dem alten Band wieder aufnimmt, aber neu durchgesehen und vor allem mit jüngeren Texten ergänzt.

Elfriede Gerstls Gedichte und Prosastücke sind von hartnäckiger Diesseitigkeit, Metaphysik – wenn sie sich, selten genug, zwischen ihre Zeilen verirrt – wird mit lockerer Hand erledigt: »wenn die transzendenz was von mir will / i c h kann mich nicht um sie kümmern«.

Natürlich haben diese wunderbar einfachen Gedichte kein Programm, höchstens ein philosophisches: Ihr Thema ist das Besondere vor dem Allgemeinen, das Einzelne vor dem System, das Sprach­lose vor dem, was per Konsens immer schon zur Sprache kommt. »wien in augenhöhe« heißt ein Text, und die Augenhöhe ist die Perspektive, aus der Gerstls Literatur entsteht – am Schluss auch eine gewisse Trauer über das »Versagen vom Leben zum Tode hin; der alltäglich erfahrene Missklang ist Gegenstand von Gerstls Gedicht: all die großen Ideale und die Versuche von Wittgenstein, Stirner oder Mauthner, sie zu destruieren«. (Elfriede Czurda)

Presse

»In diesen Sprachkompositionen verkleidet Gerstl Gedanken, die harmlos wie Blümchenkleider oder streng wie ein geschnürtes Korsett anmuten.« (Wiener Zeitung)

»Gerstls Sprache ist Bestandteil einer zugleich universell-urbanen und provinziell-wienerischen Fantasie-, Gedanken- und Realwelt, deren verblüffende Strukturen Gerstls Gedichte immer wieder verfremden. Diese Sprache ist das Produkt einer konkreten historischen und geografischen Situation, die die Autorin aber ihrerseits mitgestaltet hat. Reminiszenzen an die sogenannte Wiener Gruppe, an ihre Protagonisten, ihre dichterischen Verfahren, ihren Lebensstil, ihre Mythen sind kein Zufall.« (Thomas Rothschild)

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