Buchcover
Ronald Pohl

sudelküche seelenruh

Eine Komödie und zwei Erzählungen
2004
gebunden , 13 x 21 cm
108 Seiten
ISBN: 9783854206453
€ 19,00

AUTOREN

Textauszug

am semmering nahe dem tutzinger haus, oberhalb jenes kogels, der die erdkruste in spreu und in weitsicht trennt, fuhr jarolim mit seinen elegant aufgebogenen ski bis hart an den rand des schistalls. der schnee, nicht faul, öffnete jedem, der ihn befahren wollte, bereitwillig seine haxen. auch zeigte sich der beschneite lößboden in seiner jungfräulichkeit wie betroffen. der jarolim liebte es, wenn sich die dick eingecremten schihasen aus ihren flauschweichen wattebälgern schälten. vorher führten sie noch ihre jugendliche unrast den abhang hinunter.

er unterschied die frauen in solche, welche ausstemmten, und die anderen, die lieber beizogen. doch in wahrheit kränkte ihn eine jegliche mühsal, welche seiner schönheit einen abbruch tat. denn manchen gibt’s der herr im schlafe, und der jarolim entspross einer geisteshaltung, die sich nichts vormachen lässt, außer dasjenige welche, was ihr zum vorteil gereicht. so war er auch ohne viel zutun in die obhut der wohlhabenden ljuba geraten: die war zwar ein mistvieh, weil sie ukrainerin war und obendrein aus der gurgel stank. dagegen bezog sie eine mehr als auskömmliche rente aus der metallurgie. schon ihr vater hatte für den belorussischen sowjet etliche kubiktonnen stahl gegossen. und wenn auch die wirtschaft im osten auf tönernen füßen stand, so muss man schon sagen: an ihren traversen und geleisen biss sich sogar der übelwollende die zähne aus. denn das stahlkochen war nicht nur den kommunisten ein liebes zubrot gewesen. man fühle sich von den massen des dampfenden metalls förmlich überrollt, so jarolim begeistert, und so hatte auch er seinen besonderen anteil am auftrieb, den die ankurbelung der wirtschaft bereits aus gründen der prosperität dringend nötig hat.

Ronald Pohl schlägt mit seinem Werk tragfähige Brücken zwischen zwei Bereichen, die für gewöhnlich als unvereinbar und verfeindet gelten: zwischen einer sprachbezogenen, autonomen, und einer engagierten Literatur. Die drei Texte eröffnen unterschiedliche Genres, auf die Zurichtung des Individuums mit sprachbewussten Literaturformen zu reagieren.

In der titelgebenden Komödie sudelküche seelenruh, einer abgehausten Urlaubspension, dominieren Tausch- und Ausbeutungsverhältnisse über die Mitmenschlichkeit. Ein Feinkosthändler, der mit seinen vorgestreckten Produkten die Sudelküche unterhält, bezieht Quartier in dieser schäbigen Absteige. Da schneit das Mädchen Marianne herein – sie, die vom Pensionswirt ein Kind bekommen hat, bedroht mit ihrem Erscheinen die verrotteten Verhältnisse. Die Egoisten der Daseinsvorsorge üben sich wider sie in Solidarität, erst die Vorspiegelung bedeutender Geldmittel bricht die Front der Neider auf.

In der Erzählung liederlicher gesang eines mordbuben geht ein ukrainisches Paar, das zu den Gewinnlern des kapitalistischen Umsturzes in den ehemals kommunistischen Ländern zählt, in den steirischen Bergen den Freuden des Freizeitgebots beim Schisport nach. Eine Affäre des männlichen Parts Jarolim mit einem Dr.-med.-Schiweibchen bringt das Gefüge seiner Liaison zur Kaufmannsfrau Ljuba ins Wanken.

Ein Brevier für Schwerenöter des Konsums eröffnet das abschließende leitknäuel für überspannte. Der Überschuss an Konsumgütern drängt in sprachlich überschießende Formen.

Presse

»Es handelt sich um Sprachveranstaltungen in einer austriakischen Tradition (…) mit Witz und Formulierungsgeschick und einer Ästhetik des Aufbrechens der realen Gegebenheiten zugunsten eines Verbaltaumels«. (Alfred Warnes, Wiener Zeitung)

»Ein Glanzstück virtuoser Sprachakrobatik.« (Ewald Baringer, APA)

»Kunstvoll und schöpferisch hantiert Pohl mit der Sprache, die Wortschöpfungen treiben schönste Blüten.« (Stuttgarter Zeitung)

»Aus diesen an Sprachwitz und Sprachlust orientierten Wortwelten führt ein direkter Weg zur tatsächlichen Welt.« (literaturWERKstatt Berlin)

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