Buchcover
Andrea Winkler

Arme Närrchen

Selbstgespräche
2006
gebunden in Schuber , 13 x 21 cm
128 Seiten
ISBN: 9783854200475
€ 150,00

AUTOREN

Textauszug

An den Baum gelehnt – die Hunde sind endlich verstummt –, hört Herr Wolf, ganz gegen seine Gewohnheit, sich selbst sprechen: Bis in die kleinste intime Handlung folge ich dem Gesetz der Potenz. Ich leiste und leiste, was eigentlich. Im allgemeinen bringe ich kaum noch die Worte zu Ende. Ich bin ein Meister der Abbreviaturen, die mich beherrschen: Manu statt Manuskript. Lg statt liebe Grüße usw. Depression ist die Krankheit der anderen, ich hingegen neige zu Bluthochdruck. Durch gezielten Sport gleiche ich allerdings Ungesundes wieder aus. Es kommt vor, dass ich beim Laufen auf dem Gehsteig jemanden anremple. Gespräche unter vier Augen, die nicht dienstlichen Zwecken unterliegen, strengen mich an. Ich habe dann das Gefühl, jemand zerrt an meinen Kleidern, aber nicht, um mich zu verführen. Genau genommen komme ich seit Jahrzehnten in meinen eigenen Handlungen kaum vor. Ich bin ausgezogen, aber wohin. Oder – eine fremde Gewalt …? Ich erinnere mich schlecht. – Herrn Wolf überkommt eine völlig unbekannte Lust am Weitersprechen. Er wiederholt alle Sätze viele Male, variiert sie wie akrobatische Übungen, die den Körper in einen beweglichen und dynamischen Fluss verwandeln. Es riecht plötzlich nach Dachboden und trockenem Holz. Herr Wolf steht auf, er ist jetzt allein auf der Welt. Er stellt sich vor, auf einer Bühne zu stehen und zugleich sein eigener Zuseher zu sein. Er genießt die Wirkung der eigenen Sätze auf sich selbst. Sie ändert sich je nach Intonation und Ausdruck. Herr Wolf flüstert, singt, kreischt und jammert.

10 Exemplare, gebunden, signiert und numeriert, in einem roten Schuber zusammen mit einem gebundenen Diptychon mit Autograf der Autorin.

Das Debüt von Andrea Winkler überrascht auf vielfältige Weise: in ihren Selbstgesprächen wünscht sich die Erzählerin, »alle Worte seien gleich wahr und vertraut«, und spricht damit eine Fremdheit aus, die zwischen ihr und der Welt herrscht, wie sie schon lange nicht mehr so heiter-melancholisch zu lesen war.

In einer Sprache, deren Poesie und Originalität man sehr schnell erliegt, werden wieder die zentralen Erfahrungen der Moderne formuliert – nur das Licht, der Blickwinkel haben sich geändert; das Vertrauen auf Unmissverständlichkeit und Tragfähigkeit des Erzählens ist ganz abhanden gekommen. »Wie viel Ich braucht die Sprache eines Menschen«, fragt der Text einmal, und »Ich komme in meinen eigenen Handlungen kaum vor.«

Presse

»Ich kenne wenige Texte aus der Gegenwart, in denen romantische Prinzipien so nachhaltig wirken, wie in diesen Selbstgesprächen; hier etabliert sich ein autonomes poetisches Subjekt, das die Eindrücke stets befragt und dann für sich neu organisiert.« (Wendelin Schmidt-Dengler, Bücher Pick)

»Sätze wie Schnitte sezieren scharf und präzise das eigene Ich.« (Doris Plöschberger, Tages-Anzeiger)

»Ein Buch, das still und leise, wunderschön und wütend vom Leben im Hier und Jetzt berichtet.« (Ewald Schreiber, City)

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