Buchcover
Lydia Davis

Das Ende der Geschichte

Roman
2009
gebunden , 13 x 21 cm
260 Seiten
Aus dem Amerikanischen von Klaus Hoffer
ISBN: 9783854207610
€ 21,00
als ebook erhältlich

AUTOREN

Textauszug

Der Gedanke, dass er zwölf Jahre jünger war, interessierte mich. Ich wusste nicht, bewegte ich mich rückwärts durch diese zwölf Jahre, um mit ihm gleich­zuziehen, oder bewegte er sich vorwärts durch sie, um mit mir gleichzuziehen, und weiter: war ich seine Zukunft oder er meine Vergangenheit. Manchmal dachte ich, ich würde eine Erfahrung, die ich lange davor gemacht hatte, wiederholen: Noch einmal war ich mit einem idealistischen, ehrgeizigen, talentierten jungen Mann zusammen – wie ich es in seinem Alter gewesen war –, nun aber, da ich älter war, hatte ich Vertrauen in ihn und Einfluss auf ihn, etwas, das ich bei jenem anderen jungen Mann nicht hatte. Aber eben deswegen herrschte zwischen uns auch eine Distanz, die unter anderen Umständen nicht geherrscht hätte.

Ich sagte zu ihm, die Tatsache, dass ich mit ihm zusammen war, gebe mir das Gefühl, jünger zu sein, als ich war, und er sagte, ihm gebe sie das Gefühl, älter zu sein. Aber natürlich muss gleichzeitig auch das Gegenteil wahr gewesen sein: Ich fühlte mich aufgrund des Unterschieds sogar älter als ich tatsächlich war, und er fühlte sich noch jünger. Er muss sich angesichts der Tatsache, wie alt ich war, unbehaglich gefühlt haben, weil er so vorsichtig wurde, wenn er über Dinge redete, bei denen ich mich gut auskannte, zugleich aber muss er sich durch diesen Altersunterschied intellektuell gereifter und verfeinerter gefühlt haben.

In ihrem einzigen Roman Das Ende der Geschichte zeichnet Lydia Davis eine obsessive Liebesgeschichte und deren Erinnerungsspuren nach.

Eine 35jährige Schriftstellerin verliebt sich in einen viel jüngeren Mann, wird durch diese Erfahrung zutiefst irritiert und zeigt nach und nach alle Symptome von Liebeskrankheit. Die allmähliche Auflösung der Geschichte bis zur endgültigen Trennung setzt Lydia Davis parallel zum allmählichen Entstehen eines Romans über eben diese Erfahrungen und Vorgänge.

Neben die Erforschung des Liebeswahns in allen seinen peinlichen Details tritt etwas anderes in den Vordergrund: die Erinnerung und ihre Unwägbarkeiten, ihre dunklen Flecken und grellen Beleuchtungen. Mit kristallklarer Nüchternheit beschreibt die Autorin nicht nur die emotionalen Verwerfungen, sondern mit großer Intensität auch die äußeren Landschaften: die Pazifikküste um San Diego und um San Francisco, das Hudson Valley an der Ostküste. Mit ungeheurer Wissbegier, und ohne sich auf vorgefertigte Schreibweisen und Satzfolgen einzulassen, legt Lydia Davis in Das Ende der Geschichte eine nahezu philosophische Untersuchung über das vor, was sich unserem Gedächtnis, unserer Erfahrung, unserem Wissen konstant entziehen möchte.

Presse

»Eine komplexe Situation, in der die Ereignisse und Reflexionen der unterschiedlichen Zeitebenen faszinierend ineinander fließen. Davis ist eine Meisterin der feinen Töne.« (Echo)

»Vergangenheit und Gegenwart gehen ineinander über und die Seelenlandschaft kontrastiert mit genauen Beschreibungen äußerer Landschaften an der amerikanischen West- und Ostküste.« (Manuela Reichart, Deutschlandradio)

»Ein dicht geschriebener hervorragender Roman.« (Bettina Enzenhofer, anschläge)

»Zugleich radikal persönlich und mit analytischer Distanz hinterfragt der Text die gelebten Gefühle, die Verlässlichkeit der Erinnerung und die Schwierigkeit, sie literarisch zu fassen.« (Angela Schader, NZZ)

»Das macht den Reiz des Buches aus: Dass das Schreiben hier einen Triumph feiert über die Ideologie des Erzählens.« (Klaus Kastberger, Ö1)

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