Buchcover
Eleonore Frey

Aus der Luft gegriffen

Ein Roman
2011
gebunden , 13 x 21 cm
168 Seiten
ISBN: 9783854207771
€ 19,00
als ebook erhältlich

AUTOREN

Textauszug

Als ich noch zur Schule ging, nannte man mich den Wolkenschieber, sagt er zugleich zu sich selber und zu der, die ihm das Wort eingeblasen hat, und wendet sich dann gleich wieder an Helen Schnee, die im Unterschied zu meiner lediglich spirituellen Präsenz leibhaftig da sitzt: Was hältst du davon, dass man mir, als ich ein Kind war, sagte, ich sei ein Wolkenschieber?, fragt er sie, und Helen Schnee, erstaunt, dass es ein Wolkenwort gibt, das sie nicht kennt: Ein Wolkenschieber? Was soll das sein? Besorgt das nicht der Wind? So war das wohl nicht gemeint, sagt Harry Hotz. Aber wie denn sonst?, fragt Helen Schnee. Laut mit sich selber sprechend, überlegt sie dann, wie um Himmels willen ein Mensch mit seinen Händen und Füßen diese Aufgabe übernehmen könnte, wo die Wolken bekanntlich nichts, aber auch gar nichts bieten, bei dem man sie nehmen kann. Keine Angriffsfläche. Keinen Rockzipfel. Nicht einmal ein Ohr … Das habe ich mir als Kind auch so gedacht, sagt Harry Hotz. Ein Wolkenschieber sei einer, der nichts Rechtes mache, sagte mir dann aber der Lehrer, als ich ihn, den ich für allwissend hielt, um Auskunft bat – eine Antwort, mit der ich äußerst unzufrieden war, sagt Harry Hotz. Denn wenn ich auch, seit ich reden gelernt hatte, tatsächlich unter Umgehung aller unmittelbar nutzbringender Beschäftigung nichts machte als fragen, war das doch, wie ich schon damals ahnte, der Anfang allen Wissens und Denkens und somit das Wichtigste überhaupt.

Helen Schnee, die Heldin der Geschichte, fällt der Autorin – aus heiterem Himmel – nahezu auf den Schreibtisch, und dadurch entspinnt sich natürlich ein besonders enges Verhältnis zwischen den beiden. Helen Schnee, so wenig verankert in unseren bürgerlichen Lebenswelten wie die meisten Figuren bei Eleonore Frey, versucht Fuß zu fassen und landet schließlich beim ›Offenen Ohr‹, einer Art Krisentelefon, einer Organisation, hinter der sich aber auch etwas ganz anderes verbergen könnte. Aber nicht nur die Arbeit definiert den bürgerlichen Menschen, auch sein Wohnort und sein Familienstand sind von Interesse, und also kommt Helen Schnee auch zu einer Unterkunft und zu allerlei zwischenmenschlichen Kontakten. Ihr Einverständnis mit den gegebenen Verhältnissen hält sich jedoch in Grenzen, und also befreit sie sich wieder, in Absprache mit der Autorin, und setzt ihr wolkenleichtes Leben andernorts fort – aber nicht ohne Interesse und Mitgefühl für die Menschen, die bisher ihren Weg gekreuzt haben.

Dass Literatur aus Wörtern und Sätzen besteht, ist ja nun wirklich ein alter Hut, und dass Romane weniger geschaffen als gemacht werden, ebenfalls. Selten aber gewährt eine Autorin augenzwinkernd einen solchen Einblick in ihre Werkstatt und bekommt von der Kritik darüber hinaus noch »höchste Aufmerksamkeit und subtilste Einfühlung« (Jury des Schweizer Buchpreises) bescheinigt.

Presse

»Diese luftig wehende Helen Schnee wird von ihrer Autorin aufgefangen und getragen, nicht nur das, sie wird spürbar geliebt. Und diese Liebe überträgt sich beim Lesen, schneit herein, ins eigene Herz.« (Silvia Hess, Aargauer Zeitung)

»Frey, auch das muss einmal gesagt werden, gehört zu den wirklich witzigen Erzählerinnen im deutschen Sprachraum, eine, die es faustdick hinter den Ohren hat.« (Anton Thuswaldner, Stuttgarter Zeitung)

»Eleonore Frey ist im Schwebenden von Verständigung und Vergegenwärtigung ein traumhaft schönes Kleinod gelungen. Ein furioser, ein frischer, ein wehmütig-heiterer Roman« (Angelika Overath, NZZ)

»Ein kluges Buch über das Schreiben, das Erfinden, über die Beziehung zwischen Autorin und Figur. Und nicht nur das: Spätestens als Helen Schnee auf dem Polizeiposten nach den ›Fakten‹ ihrer Identität gefragt wird, wird klar: Dies ist auch ein politisches Buch.« (Christine Lötscher, Tagesanzeiger)

Top