Buchcover
Stefan Schmitzer

scheiß sozialer frieden

Gedichte
2011
gebunden , 13 x 21 cm
96 Seiten
Mit einem Nachwort von Clemens Setz
ISBN: 9783854207887
€ 15,00
als ebook erhältlich

AUTOREN

Textauszug

einige flüche

scheiß sozialer frieden.

scheiß stimmiges bild das sich ergibt mit weinbau-kulturland und betonguss-kanalbau, mit grüntönen grautönen rapsgelb auch.

scheiß schönheitsempfindlicher körper, scheiß erinnerung an eine prägungskindheit.

scheiß sozialer frieden, wenn du die rundgänge machst.

scheiß glück in den fußballgevierten, den kinos und hörsälen, überhaupt scheiß glück.

scheiß gangbarkeit der wege, auf denen du umschau zu halten imstand bist; scheiß grün und scheiß rosa, scheiß abenddämmerung.

scheiße wie so versöhnlich und zutraulich man war bis hierher. dass man gespräche geführt hat mit jedem der wollte, bemüht war um freundliches licht auf gesichtszüge, freundlichen tonfall, wo immer man konnte.

scheiß biografische knoten im hals. scheiß eingespielte klauseln, und scheiße wie dieses und jenes nie wieder beim namen zu nennen sein wird.

scheiß wellblechlandschaften. scheiß planspiele, scheiß autonome zonen.

scheiß tanz, und selbst scheiß schattenkühles flüstern dann.

scheiß angst vor der eigenen wut, scheiß wut auf die eigene angst. scheiß liebe zu beidem. scheiß wissen, worauf es bezogen sein könnte.

scheiße was wir geworden sind. scheiß kifferei und scheiß bier und scheiß schwangerschaften, scheiß stammtische / strammtische, selbst noch scheiß waldspaziergang.

scheiß moment, wenn die systemischen faktoren greifen, also scheiß träume mit urgroß- und mit vätern. scheiß alter, scheiß reifung, scheiß anschein des organischen hervortretens.

scheiß kunst. scheiß sozialer frieden. scheiß bedürfnisstruktur, noch einmal scheiß kunst. was ist aus uns geworden? mit pfaffenhaft deformierten fressen inzwischen die einen, penner die zweiten, die dritten noch immer am kotzen und ritzen, die klügsten schleichen geprügelt zurück in die familienverbände, die dümmsten versuchen es nochmal und nochmal, wie baustilkundler beim zusammenschustern eines holzverschlags, im schatten eines toten steinbruchs … versuchen scheiße was?

scheiß voraussetzungen für die scheiß voraussetzungslosigkeit. sag neuer mensch, sag es anders, sag am besten gar nichts mehr.

scheiß einfamilienhaus-cluster, scheiß alter, scheiß kunst. scheiß wiederholungszwang, scheiß zwang.

scheiß sozialer frieden.

Hier der Link zur Lesung Stefan Schmitzers aus dem Band: Lesungsvideo

Stefan Schmitzer hat seit seinem ersten Gedichtband moonlight on clichy einen Namen als politischer Dichter, »genau, wachsam, unversöhnlich«, einer, der sich »von keinem Jargon etwas diktieren lässt« (NZZ).

Dass seine Gedichte einen besonderen Groove haben, wurde aus verschiedenen Warten schon konstatiert. In Schmitzers zweitem Gedichtband ist das musikalische Vokabular, sind die musikalischen Strukturen sogar noch intensiver geworden, von Blues bis Popsong, von Lied bis Soundscape. Was die Texte aber verhandeln, steht in überraschendem Gegensatz zu den üblichen lyrischen Themen und Motiven von Pop und Zeitgeist: Da werden mit beinahe epischem Atem Wünsche und Sehnsüchte reflektiert, die Bausteine eines erfüllten Lebens, die gleichzeitig aber dieser Erfüllung im Weg liegen. Das hat oft einen grimmigen Witz, der sich gleichermaßen in Spott über die lyrischen Konventionen, im Spiel mit den lyrischen Formen von Reim und Rhythmus, und in der Verzweiflung über die Verhältnisse, die nun mal so sind, äußert: »Die Träume liegen schwer auf dem Cortex.«

Gedichte als Klopfzeichen, mit denen sich die verständigen, die in Platons Höhlen leben, in Schächten stecken; und als Gewährsleute – wenn denn überhaupt welche herhalten müssen – werden Bob Dylan und Walter Benjamin aufgerufen.

Presse

»Mit diesen Gedichten ist Schmitzer ein Wurf gelungen – direkt, eigensinnig und ohne Angst davor, Position zu beziehen.« (Christoph Hartner, Kronenzeitung)

»Schmitzer hat den Beat, er ist ein subtiler Beobachter des Politischen wie des Privaten, und er hat auch die Pose, das stille Gewisper der Lyrik in einen Rocksong zu verwandeln.« (Werner Schandor, Schreibkraft)

»Stefan Schmitzer kotzt sich hier ordentlich über die Beschaffenheit von Kunst und Welt, Liebe und Geld aus. Und er hat zum Glück noch mehr im Angebot: zärtliche Sehnsuchtsbilder etwa, oder eine tiefe Liebe zur Popmusik.« (Sebastian Fasthuber, Falter)

»Schmitzer hat die Schnauze voll: Da sagt jemand „scheiß sozialer frieden“ und meint es tatsächlich, so und nicht anders.« (Kristoffer Patrick, Fixpoetry)

»Mit eindringlichem Pulsschlag; mit hämmernden bis feinen Wiederholungsstrukturen entfalten die Texte einen rhythmischen Sog.« (Bernhard Oberreither, Literaturhaus Wien)

»Schmitzers Texte sind wie jene der beat generation von einem kritischen politischen Bewusstsein angetrieben, es sind Versuchsanordnungen, die dem Erkenntnisinteresse an Sprache und Sprecher dienen.« (Axel Helbig, Ostragehege)

»Der Autor schafft es tatsächlich, dem indifferenten Dasgeschehenscheissefindenwollen unserer Gegenwart konkrete, bleibende, merk-würdige Formulierungen, Parolen und Bilder abzugewinnent.« (Max Christian Graeff, Kulturmagazin Luzern)

»Stefan Schmitzers Lyrik ist ein Angriff, ein Diskursgewitter … Die geballte Wucht linker Theorie spiegelt Schmitzer mit der Sprache des Banalen. Er stiftet Widerstand und Wut, und bringt die Resignation einer ganzen Generation auf den Punkt.« (Christian Winkler, hoergeREDE)

»Brachiale Wortgewalt trifft auf Zartheit, intime Nachtaufzeichnungen auf ihre Produktionsbedingungen. Das ist hip, das ist Rugby. Auf die performative Umsetzung auf Lesungen darf man gespannt sein.« (Udo Kawasser, Der Standard)

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