Buchcover
Christoph Dolgan

Ballastexistenz

2013
gebunden , 31 x 21 cm
152 Seiten
ISBN: 9783854208426
€ 19,00

AUTOREN

Textauszug

Die Wahnsinnigen sprechen mit gehäuteter Zunge und in einer Frequenz, die nur ich hören kann. Wollte man sie, wollte man uns auf einen gemeinsamen Nenner bringen, wollte man uns gleichschalten, fiele einem nur unser Sprechen ein, das immer unangemessen ist. Ob zu laut oder zu leise, es geht immer am Ziel vorbei. (Wir schreien und flüstern, dazwischen ist nichts. Unser Sprechen ist aus der Übung und hört sich nicht.) Die Verrückten haben keine adäquate Lautstärke, der Wahnsinn hat keinen Ton. – Gemeinsam machen wir uns auf den Weg, geräuschlos und zuversichtlich. Wir kappen die Taue und verbrennen unsere abseits gelegenen, unsere abseitigen Hütten. Zu verlieren haben wir nichts mehr. Alles liegt vor uns, und wenn wir uns auf den Kopf stellen, liegt alles hinter uns. (Sogar die Angst.)

Ich, sagt Ernst Herbeck und setzt es unter Anführungszeichen, »heißt das stumme Wort«.

Die Frequenz der Verrückten ist der heisere Schrei der Nebelvögel, ein Grau, das aus der durchnebelten Langfeldsiedlungsleere kommt und über die brachliegenden Felder weiterzieht. Gehetztes Geplauder, das Nachholen derer, die nicht mehr zur Ruhe kommen in sich, das Sprachfieber der Gefährdeten.

Der Weg führt von einer Arbeiter-, später Arbeitslosen-Siedlung über den Alkoholismus in die Anstalt. Der Erzähler begleitet seine Mutter, die nach der Arbeit beim Discounter ihre Abende und bald auch die Nächte im Tankstellencafé zubringt. Nach sonntäglichem Schnitzelfett riechende Treppenhäuser und Therapiezimmer, vergitterte Anstaltsfenster und die düsteren Räume der Selbstvernichtung und -verletzung sind die Orte, an die der Text uns mitnimmt, immer im Versuch, – nach einer Empfehlung Ulrike Meinhofs – Trauer in Wut zu verwandeln; und am Ende dann ein Tod in einer Tiefkühltruhe und ein – solange der letzte Punkt nicht gesetzt ist – überlebender Erzähler.

Ein Koordinatennetz aus Angst und Tod liegt unter dieser Erzählung, die eigentlich ein ganzes Bündel aus ihr hervorsprießender Sub-Geschichten ist. Angst und Schrecken, die von der elenden Existenz, aber auch von der Sprache ausgehen, die sich als Beschreibungswerkzeug zur Verfügung stellt. Christoph Dolgan entwirft eine Selbstauslöschungs- und Untergangsphantasie mit Sätzen, die unter die Haut gehen.

Presse

»Dolgans eindringliche, dichte Sprache zeugt von außergewöhnlicher Beobachtungsgabe und ist von einer poetischen Treffsicherheit und psychologischen Tiefe, die man in dieser Präzision und Reife bei einem so jungen Autor nicht erwartet. Dolgans Debüt Ballastexistenz ist ein dunkles, ein knallhartes, ein richtig gut geschriebenes Buch.« (Michaela Schmitz, Literaturhaus Wien)

»Ein starkes Debüt, voller scharfsinniger Beobachtungen und poetischer Dichte. Ein exzellenter Erzähler.« (Julia Schafferhofer, Kleine Zeitung)

»Christoph Dolgans Protagonist ist eine gequälte Kreatur, die gar nicht anders kann, als sich immer tiefer hineinzubegeben in das Elend, das sein Leben bestimmt.« (Wiebke Porombka, FAZ)

»Dem Autor gelingt es in Ballastexistenz, das Leben ohne Perspektive klar nachzuzeichnen und trifft dabei jeden Ton. Nach diesem Debüt darf man auf weitere Bücher aus Dolgans Feder gespannt sein.« (Christopher Heil, literaturkritik.de)

»Überraschende und anrührende Menschendarstellungen« (Samuel Moser, NZZ)

»Ein starkes Debüt, das besser als jedes Sachbuch erklärt, welche seelischen Abgründe sich in Alkoholikerfamilien auftun können.« (Werner Schandor, Wiener Zeitung)

»Dem Droschl-Verlag ist zu gratulieren zur Entdeckung eines geballten Autors; seine Ausdrucksstärke setzt dem Leser zu.« (Helmut Gollner, literatur und kritik)

»Dolgan spannt einen spannenden Erzählbogen, der die inneren wie äußeren Erlebniswelten seines Protagonisten eindringlich zum Schwingen bringt – eine starke literarische Stimme!« (Joachim Gruber, steirische berichte)

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