Buchcover
Andreas Unterweger

Das gelbe Buch

2015
gebunden , 13 x 21 cm
240 Seiten
ISBN: 9783854209652
€ 20,00

AUTOREN

Textauszug

AN MANCHEN MORGEN

kam der Wind vom Meer. Und das, obwohl das gelbe Haus, der gelbe Garten, ja, sogar unser ganzes gelbes Land, mit all seinen Häusern und Gärten, vom Meer weit entfernt lagen. Aber

AN MANCHEN MORGEN

kam der Wind dennoch, konnte er gar nicht von woanders herkommen als: vom Meer – das wir, Binnenlandkinder, die wir waren, nur aus Großvaters Büchern kannten … Sagen wir so:

AN MANCHEN MORGEN

kam der Wind von anderswo, und das meint: ganz woanders, irgendwo, wo es so ganz anders war als hier bei uns, im gelben Land, so anders, wie es eben nur am Meer war (dachten wir).

AN MANCHEN MORGEN

kam der Wind auf, nur um Segel zu blähen – dann ging ein leises Zittern durch das Haus, und es schwojte herum, fing an zu stampfen, kämpfte sich schwer durch die Wellen aus Gras …

AN MANCHEN MORGEN

kam der Wind auf wie das, was wir – damals – noch nicht brauchten: Hoffnung. – Ein Fenster flog auf; die Gießkanne auch; die Amsel, hoch oben im Tannen-Masttopp, juchzte vor Freude.

In Andreas Unterwegers Universum ist es eine Selbstverständlichkeit, dass eine Gruppe kleiner Buben samt ihrem Wortführer Biber in einem gelben Haus zwischen gelben Feldern lebt, und nur der Großvater und die Katze Mia leisten ihnen Gesellschaft. Hin und wieder taucht ein Waldläufer auf, der von geheimnisvollen und wilden Wildschweinen erzählt. Was da passiert? Nichts als dass die herrlichen Sommer, in denen man den ganzen Tag im (gelben) Fluss schwimmen kann, von frostigen Wintern abgelöst werden, in denen es aber immerhin Nikolaus und Weihnachten gibt.

Ein unverschämter Wunschtraum, dessen Voraussetzungen anderswo abgehandelt werden: dort, wo mit höchster sprachlicher Präzision das Verhältnis zwischen den Dingen und den Begriffen untersucht wird, die Materialität der Wörter und die Schwierigkeiten des Verstehens (und Missverstehens): »Und hier, in dieser gelben Schachtel, ist mein Geburtstagsgeschenk für dich: ein paar Radieschen«, sagte Biber. »Ein Paradieschen!«, frohlockte das Mädchen.

Poetischer Eigensinn als Kindheitsutopie, ganz ohne Rücksicht auf die »Aufgaben der Literatur« – oder Wittgenstein als Kinderbuch, gewissermaßen, angereichert mit höheren und tieferen Witzen, Fotos, Rechenaufgaben, mehreren Motti zur freien Wahl und vor allem zwei Inhaltsverzeichnissen, in denen die Kapitel einerseits »Die fünf Jahreszeiten« und andererseits »Meister der Verkleidung: Identität und Differenz im gelben Land« heißen.

Veranstaltungen

  • 21. September 2024, 18:00
    Wagna, Bildungshaus Retzhof
  • 18. Oktober 2024, 19:00
    Frankfurt, Archäologisches Museum

Presse

Manuskripte-Preis 2016

»Wie weiland die auf literarische Konventionen pfeifende Else Lasker-Schüler selbiges mit ihren Verlegern tat, wirbelt Unterwegers Buch die Erwartungen auf und animiert, sich einzulassen auf den Modus eines kindlichen Blicks.« (Beate Tröger, FAZ)

»Andreas Unterweger schuf, reich gesegnet von Sprachmagie, ein wunderbares Universum, errichtet auf kindlichen Erinnerungen und Kindheitsutopien.« (Werner Krause, Kleine Zeitung)

»Wenn man das gelbe Buch zu Ende gelesen hat, kann man es mühelos von hinten nach vorne zurück lesen – um Geschichten wiederzufinden, die so glücklich machen.« (Susanne Rikl, Kommbuch.com)

»Unterweger beschreibt das Vergehen der Zeit, das sinnliche In-der-Welt-sein, die kleinen Wunder und Katastrophen der Kindheit mit großer Poesie.« (Christoph Hartner, Kronenzeitung)

»Viel stichhaltiger als andere Gegenwartsautoren thematisiert dieses Buch das Schöne am In-der-Welt-Sein, und nicht nur das; sondern es wird hier auch in anschaulicher Weise das Schöne am lebhaften Mit-der-Welt-Sein dargestellt: eine Seltenheit in der österreichischen Literaturlandschaft nach 1945.« (Björn Treber)

»Es ist das Bild einer Welt, nicht wie sie leider ist, sondern sein sollte. Der Autor malt sie mit großem Einfühlungsvermögen, sprachlich be- und verzaubernd. Und das alles für Erwachsene und vielleicht doch auch für Kinder. Allen Bibliotheken empfohlen.« (Peter Vodosek, EKZ)

»Das leuchtende Leben in der gelben Landschaft offenbart ein Aroma der Gelassenheit und Entschleunigung. Hier wird das Große im Kleinen erklärt, wunderbar einfach und mit großem sprachlichen Witz.« (Maria Renhardt, Die Furche)

»Andreas Unterweger beeindruckt in seinen verknappten, poetischen, sprachverspielten Texten mit einer schier unerschöpflichen Phantasie: Jeden Augenblick staunt man neu über die Welt und ihr buntes Durcheinander aus gelben Häusern und Feldern, gelben Blättern und gelber Postbusse.« (Bernadette Schiefer)

»Es mutet wie ein verblichenes Polaroid-Bild an, mit einem Gelbstich versehen, in dem Geschichten der Kindheit erzählt werden.« (Angelo Algieri, Literaturhaus Wien)

»Wie A.U. episodisch und exemplarisch die Fauna dieses gelben Landes beschreibt, lässt erahnen, wie viel er davon verstanden bzw. wohl eher begriffen hat, dass man die ganze gelbe Zeit im gelben Haus, alle Sommer, die Kindheit, Glückskindheit nämlich nicht nur festhalten muss, sondern sowieso nur in einem gelben Buch festhalten kann.« (Angelika Reitzer, Alte Schmiede)

Das Buch »zaubert aus Dingen geliebte Dinge.« (Natascha Gangl)

»Eine Ode an das Glück, als die Dinge und ihre Namen noch eins waren und die kleinen, unscheinbaren Ereignisse ungeahnte Größe zeigten.« (Werner Schandor, Wiener Zeitung)

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