Buchcover
Reinhard P. Gruber

Die Geierwally

1996
gebunden in Schuber , 13 x 21 cm
152 Seiten
ISBN: 9783854204398
€ 110,00

AUTOREN

Textauszug

Der Strom kommt aus der Steckdose, der Fisch aus der Konserve, das Gemüse aus dem Gefrierschrank, das Fleisch aus der Vitrine, die Hitze aus der Mikro-Welle, die Milch aus der Flasche, der Schnaps aus dem Stamperl, das Brot vom Verkäufer, das Tempo vom Auto, AIDS vom Nachbarn, die Arbeit vom Arbeitsamt, das Geld von der Bank, das glückliche Vergessen aus Medellín, der Papst aus dem Fernseher, die Kinder aus der Klinik, die Themen aus den Medien, die Intelligenz aus den Tests, der Bauch aus dem Supermarkt, die Straßenbahn aus der Remise, das Theater von der Bühne, das Gespräch aus dem Radio, der Penis aus dem Präservativ, die Geradlinigkeit von der Straße und vom Zug, die Schneeräumung aus dem Magistrat, der Tod vom Bestattungsamt, die Auferstehung aus der Kirche, der liebe Gott aus dem Religionsunterricht.

So weit, so normal, so Stadt.

So fern, so exotisch, so Region:

Der Strom kommt aus der Turbine des Wasserkraftwerks, bei dessen Montage ein Arbeiter zum Invaliden wurde, der Fisch kommt aus dem Bach, der einen Fischteich verseucht hat, das Gemüse kommt aus dem Garten eines Bio-Freaks, das Fleisch von lebenden Tieren, die getötet werden mußten, die Hitze aus einer Hitze-Welle, die Milch von Kühen und Ziegen und Schafen, der Schnaps aus der erhitzten Maische, das Brot vom Bäcker, der einen schlechten Fuß hat, das Tempo vom Finanzamt, AIDS aus der Stadt, die Arbeit von der Notwendigkeit, das Geld vom Verkauf eigener Produkte, das Vergessen vom Wein, der Papst aus dem fernen Polen, die Kinder aus dem Bauch der Frau, die Themen aus der Familie, die Intelligenz aus dem Vergleich mit armen Würsteln, der Bauch aus dem Genuß, die Straßenbahn überhaupt nicht, das Theater aus dem Wirtshaus, das Gespräch aus der Runde, der Penis aus der Unterhose, die Geradlinigkeit von der Standhaftigkeit, die Schneeräumung vom Mayer Gustl, der einen Job bei der Gemeinde hat, der Tod plötzlich und grausam, die Auferstehung hoffentlich, der liebe Gott aus dem Wald.

Es schmeckt alles besser am Land.

10 Exemplare, in einem schwarzen Schuber zusammen mit einem Diptychon mit Autograf, signiert und numeriert.

Die allseits bekannte Geschichte von der hochalpinen Einzelgängerin, Außenseiterin aus Notwendigkeit und freier Entscheidung, wurde von Gruber ins weststeirische Bergland und in die Gegenwart verlegt: Bei ihm führt die Wally einen buddhistischen Bio-Bauernhof und ihr Geliebter ist der beste Motocross-Fahrer, Paragleiter, Extremkletterer, Frauenheld, etc. weit und breit.

Dieses Buch enthält neben den fürwitzigen Reimen des Geierwally-Librettos die gesammelten Kommentare des steirischen Meister-Satirikers zu seinem Lieblingsthema: das Wesen des Steirischen, des Steirers, der Steirerin – allernotwendigste Korrekturen in einer Zeit des politischen Regionalismus, der sich von schlichter Engstirnigkeit kaum unterscheidet.

Gruber, ein Chronist der Widersprüche zwischen Stadt und Land und ein Spötter, der es auf Regionalisten wie auf Urbanisten gleichermaßen abgesehen hat.

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