Buchcover
Bengt Emil Johnson

Elchzeit

Gedichte
2007
englische Broschur , 15 x 21 cm
144 Seiten
Ausgewählt, übersetzt und mit einem Nachwort von Lukas Dettwiler.
ISBN: 9783854207177
€ 19,00

AUTOREN

Textauszug

Sommerweise

Jetzt ist fast nichts.
Es kommt durchs Fenster.
Es ist eine Weindrossel, die nicht aufgibt.
Es ist dieses staubige Licht.
Es ist nicht die Stille, es ist fast still,
wofür »Stille« als Euphemismus steht.
Es ist der Schwarm Schwalben nahbei.
Es ist die Schwierigkeit
die so viele von uns mit der
Deutungslosigkeit haben.
Es sind u.a. ein umgebautes größeres Außenklo,
ein Wohnwagen, ein dreckiger Nagel
und Augen auf verdorrte Zweige an einer Ulme.
Es ist kein Gewitter.
Es ist fast nichts.
Es ist nicht einmal eine Weindrossel, die sich nicht aufgibt,
es ist ein Eichelhäher, eine Weindrossel nachahmend,
die nicht aufgibt, es ist das Wissen
dass es tatsächlich so ist.
Es ist der Überdruss nach dem 14. Juli.
Es ist fast nichts.
Es ist die Informationsflut der Vergewaltigungen in Srebrenica
und Lotta Engbergs »totale Tabus«.
Es ist dieser Ohnmachtszwang.
Es ist Regen, der Saat aus trockenen Böden treiben sollte.
Es ist das Gras, das am stärksten ist; wäre Leben Gras, Fleisch Heu.
Es sind Schmetterlinge, deren Namen ich nicht kenne.
Es ist der Tod, dem widersprochen wird, ist dem so?
Es ist fast nichts.
Es ist der Rest.

Bengt Emil Johnsons Gedichte sind oft lange, mehrteilige Gebilde, wie etwa sein Zyklus 32 Arten Elstern zu betrachten oder von ihnen betrachtet zu werden. Ihr Thema ist das Erfahrbare, sei es autobiografisch oder naturbetrachtend. Spekulatives ist ihnen auf erfreulich nüchterne Weise fern – und daraus entstehen fremdartige poetische Überraschungen ganz außergewöhnlicher Art!

Als Johnson 2002 den hochangesehenen Tomas-Tranströmer-Preis erhielt, zeichnete ihn die Jury als einen »Wörter aufwiegelnden Erneuerer und gelehrten Spötter, provozierenden Modernisten und treuen Provinzialisten« aus. Elchzeit gibt zum ersten Mal in deutscher Sprache einen Eindruck von der poetischen Stimme dieses Dichters, mit einer Auswahl aus den Bänden der letzten letzten Jahrzehnte.

Der frühere Avantgardist ist mit den Jahren zu einem genauso überzeugenden Naturlyriker geworden, sachkundig wie sein Landsmann Linné, der Natur und ihren Geräuschen eher mit den Mitteln einer sachlichen Wissenschaftssprache nachhört als mit den herkömmlichen Naturbeschwörungen der Poesie. Seine Gedichte, in denen Menschen und Landschaft einander begegnen, sind eigentümlich lapidare, aufrichtige Annäherungen an eine »Ahnungsgrenze«, hinter der die lyrische Sprache wieder ungenau würde.

Presse

»Es ist eine ganz erstaunliche Welt, die diese Gedichte eröffnen – ein durch Klang, Bild und Wort sich konstituierender poetischer Raum. Ein wirkliches Ereignis.« (Brigitte Spreitzer, Der Standard)

»Ein Lyriker, dessen stimmliche Präsenz von unglaublichem Volumen ist. (…) in einem Atemzug mit Tomas Tranströmer, Lars Gustafsson und Inger Christensen zu nennen«. (Carola Wiemers, Deutschlandradio)

»Lukas Dettwiler hat einen schönen Pfad durchs Johnsons Lyrikbücher gezogen. Seine Übertragungen machen die klare, fast durchsichtige Sprache spürbar, die Johnson kultuiviert hat.« (Nico Bleutge, Der Tagesspiegel)

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