Buchcover
Lydia Davis

Formen der Verstörung

Erzählungen
2011
gebunden , 13 x 21 cm
280 Seiten
Aus dem Amerikanischen von Klaus Hoffer
ISBN: 9783854207849
€ 22,00
als ebook erhältlich

AUTOREN

Textauszug

Für sechzig Cent

Du bist in Brooklyn in einem Coffee Shop, du hast nur eine Tasse Kaffee bestellt, und der Kaffee kostet sechzig Cent, was dir viel vorkommt. Aber es ist nicht so viel, wenn man bedenkt, dass man sich für die gleichen sechzig Cent die Benützung einer Tasse und Untertasse mietet, ein Sahnekännchen aus Metall, einen Plastikbecher, einen kleinen Tisch und zwei schmale Bänke. Darüber hinaus stehen einem, abgesehen vom Kaffee und der Sahne, falls erwünscht, Wasser mit Eiswürfeln zur Verfügung und, in dem entsprechenden Spender, Zucker, Salz, Pfeffer, Papierservietten und Ketchup. Dazu kommt man für eine unbestimmt lange Zeit in den Genuss der Klima-anlage, die den Raum perfekt kühlt, des starken elektrischen Lichts, das jeden Winkel des Raums ausleuchtet, so dass nirgendwo ein Schatten hinfällt, des Blicks auf die Leute, die draußen in der Sonne und im Wind auf dem Gehsteig vorbeidefilieren, und der Gesellschaft der Leute drinnen, die lachen und in endlosen Variationen einen eher grausamen Witz auf Kosten einer kleinen rothaarigen Frau mit schütter werdendem Haar abwandeln, die am Tresen sitzt, wo ihre überkreuzten Beine vom Hocker baumeln, und die sich Mühe gibt, mit ihrem kurzen, weißen Arm auszuholen, um dem am nächsten stehenden Mann ins Gesicht zu schlagen.

Lydia Davis wird in den USA gerühmt als »eine unserer originellsten und einflussreichsten Autorinnen«, eine Erzählerin mit ungewöhnlicher emotionaler Schärfe, formellem Einfallsreichtum und der Fähigkeit, uns genau dort festzuhalten, wo wir uns mental oder seelisch zu entgleiten drohen oder im Kreis gehen.

Mit ihrer vierten Story-Sammlung Varieties of Disturbance, 2007, schrieb sich Lydia Davis endgültig in die Reihe der Klassiker der Moderne ein. Ihre Themen sind überaus vielfältig: von den Irritationen bei der Betrachtung eines Säuglings, über die Vorbereitungen, die Kafka für ein Abendessen mit Milena trifft, bis zur Untersuchung einer Reihe von Briefen einer Schulklasse aus dem Jahr 1952 an einen kranken Mitschüler. Sowohl alltäglich als auch ungemein überraschend sind diese Geschichten, unterschiedlichst in der Form, von einem sehr trockenen Witz; viele haben nur die Länge eines Satzes.

Wem es in der Literatur um eine Erforschung des Denkens geht, um eine Erkundung unserer Phantasie- und Geistestätigkeiten, um den Imaginationsraum, den jedes Erzählen zu öffnen in der Lage sein sollte, für den sind die Geschichten von Lydia Davis Schatzkammern literarischer Erfindung. Nicht nur, dass sie alltagsneurotische Phantasien und Überlegungen in originellster Weise sprachlich dingfest machen – es sind auch raffinierte Kommentare zum Erzählen selbst, ob sie nun Kafka selbst sprechen lassen, Beckett neuschreiben oder unterschiedliche Proust-Übersetzungen auf ihre Alltagstauglichkeit überprüfen.

Presse

»Geistreich, gewandt, ironisch, voller Understatement und permanenter Überraschungen« (Joyce Carol Oates)

»Umwerfend komisch, erschreckend, vom Feinsten. Davis ist eine Magierin in Sachen Selbst-Bewusstsein.« (Jonathan Franzen)

»Lydia Davis überzeugt mit lakonischer Prosa – derzeit etwas vom Besten aus der USA!« (Martin Zingg, NZZ am Sonntag)

»Nach diesem Pioniergeist-Fluidum kann man süchtig werden. Nach den Überraschungen am Anfang der Geschichten, nach den Gags, Einfällen und Eingebungen, mit denen sie fortgeführt werden.« (Gisela von Wysocki, Deutschlandradio)

»Lydia Davis ist eine Meisterin des gefriergetrockneten Witzes und der jähen Schwärze.« (Angela Schader, NZZ)

»Tröpfchenweise wird der eigene Blick auf die bittere Absurdität des Alltags von den Formen der Verstörung geformt. Lydia Davis ist ansteckend.« (Lennart Laberenz, taz)

»Gnadenlos lässt Davis ihre Gedanken schweifen, ohne Tabuzonen, nur um des Denkens willen. Und offenbart den Blick auf die Absurditäten des Alltags, die wir viel zu oft als selbstverständlich hinnehmen.« (Jan Ehlert, NDR)

»Eine geschickte, eine kluge Erzählerin. Sie führt uns auf vermeintlich sicheren Grund, um uns dann – mit einem Wort, einer Frage – aus eben dieser Lese-Spur zu werfen. Eine spannende Lektüre.« (Manuela Reichart, kulturradio RBB)

»Lydia Davis schreibt über Dinge, über die andere auch schreiben: Aber sie schreibt ganz anders darüber.« (Ingrid Mylo, Badische Zeitung)

»Die Wissbegier dieser Autorin kann von inquisitorischer Eindringlichkeit sein. Für Lydia Davis stehen Poesie und Denkschärfe nicht im Widerspruch.« (Gisela von Wysocki, Die Zeit)

»Extrem kurze, vor allem aber ziemlich witzige Erzählungen.« (Klaus Nüchtern, Falter)

»Die US-amerikanische Autorin Lydia Davis lässt in ihren kurzen Geschichten mit sichtlichem Vergnügen Kleines ganz groß werden.« (Julia Zarbach, Ö1)

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