Buchcover
Andrea Winkler

Hanna und ich

2008
gebunden , 13 x 21 cm
136 Seiten
ISBN: 9783854207382
€ 16,00

AUTOREN

Textauszug

Wer bin ich, wenn ich Hanna zusehe, wer, wenn ich wünsche, dass sie den Kopf hebt, aufsteht und fortgeht, für eine Weile? Wer, wenn ich neben ihr liege, die Arme verschränkt über der Brust, den Blick in die Decke gebohrt, als ob der Lauf der Dinge sich an der Decke entschiede? Der Lauf der Dinge! Da können wir nur noch lachen. Ich weiß nicht, ob es stimmt, dass alles anders wäre, wenn ich nicht ausgerechnet mit Hanna die Räume teilte, mit ihrem Schweigen und Starren, den eingerollten Fingern, den Bildern, die aus dem Teppich kommen. Weiße Flecken Ruhe, soll das ein Witz sein. Wahrscheinlich führt uns jetzt sogar das Schweigen der Dinge an der Nase herum: als ob wir dir je mehr gesagt hätten als jetzt. Als ob das nicht die letzte Ausflucht wäre, schon hundertmal benutzt. Wenn sie und Hanna nicht hier wären, kümmerte ich mich vielleicht um den Schnee, der gerade die roten Dachschindeln bedeckt, die Schornsteine und Gehsteige. Ich liefe die Treppe hinunter und bäte die Männer, mir eine Schaufel zu geben, und die Kälte verwandelte mein Gesicht. Was spricht sich aus in deinen Bildern, welches Vertrauen? Willst du es so haben? So treten wir am Fleck. Am weißen?

Hanna »sitzt zuhause und schweigt«, sie verschließt sich in sich selbst und öffnet sich kaum. Auch nicht dem erzählenden Ich, das versucht, Hannas Geheimnis und die Motive ihres Verstummens zu erkunden, weil es nicht will, dass Hanna »ausscheidet«, dass sie im Dunkel verschwindet, in den Schatten, die sie umgeben.

Immer wieder öffnet sich die Tür zu »ihrem kleinen Laden«, herein treten Herr Emm, Lea und Rio, in diesen kleinen Ort, an dem außer Reden nicht viel möglich ist: ein paar Schritte zwischen Fenster und Treppe – lesen, schreiben, sprechen. Mit ihren Besuchern kreist Hanna um eine Geschichte, die zerbrochen und verloren scheint, aber gesucht werden will. So sehr diese Suche die Figuren immer wieder zueinander hintreibt, so wenig kommen sie doch beieinander an. »Wohin geht’s, wenn’s nirgendwohin geht?« lautet die Frage, die das erzählende Ich stellt und die weiter wandert, von Figur zu Figur, von Ort zu Ort.

Erzählen – das könnte hier Hinhören heißen, Hinhören auf Sätze, die voller Spannungen sind, voller Widersprüche. Erzählen heißt auch, die Grenze zwischen »Traum« und »Wirklichkeit« offen zu halten. Denn, wie in Andrea Winklers hochgelobtem Debüt Arme Närrchen, wächst der Wunsch nach einer Begegnung mit dem Du an diesem Übergang. Und wie in Arme Närrchen ist die Rolle der Sprache, die Wahl der Wörter und Sätze – und das Ungesagte! – das Entscheidende.

Presse

»Man steht vor dieser Prosa wie vor den Vitrinen eines Schmetterlingssammlers. Man sieht prächtige Muster und feine Variationen, man ahnt dahinter ein unerschöpfliches Ordnungsprinzip.« (Daniela Strigl, FAZ)

»Poetisch hoch konzentrierte Prosa, konsequent und eigensinnig, die existenzielle Fragen nach Erinnern und Vergessen wie schwerelos mit sich im Gepäck führt.« (Anna Rottensteiner, Die Presse)

»Das ist Dichtung, die diesen Namen auch verdient.« (Peter Zimmermann, Seite 4)

»Mit Hanna und ich bestätigt Andrea Winkler ihren Ruf als eine der konsequentesten und spannendsten jungen Autorinnen des Landes.« (Nicole Streitler, Falter)

Andrea Winkler gelingt es, »auf einer schmalen Fläche einen graziösen Tanz der Sätze zu erzeugen. Das Minimale ist seine Qualität und der adäquate Ausdruck einer Autorin, die sich nicht anmaßt, im Hintergrund Fäden zu ziehen, die ihren Figuren selbst zum Verhängnis werden.« (Samuel Moser, NZZ)

»Andrea Winkler gehört zu den interessantesten, weil eigenständigsten Stimmen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Sie schreibt nahe am Leben und doch nicht wortwörtlich darüber. Literatur ist für mich Sprachkunst, sagt sie entschieden.« (Katja Gasser, ORF)

»Winkler gibt einer heutigen Entfremdungserfahrung, der Beliebigkeit und Geschichtslosigkeit in modernen, kafkaesken Arbeitszusammenhängen und zwischenmenschlichen Beziehungen eine Stimme.« (Sigrid Meßner, Literaturhaus Wien)

»Andrea Winkler hat eine erstaunliche Stilsicherheit und einen neuen Ton. Und in der Verbindung von Traum und Kalkül lässt sich Winkler als Verwandte Ilse Aichingers erkennen.« (Cornelius Hell, ORF ex libris)

»Die Erzählung folgt der Logik des Traumes, dementsprechend poetisch ist die Sprache.« (Hedwig Wingler, manuskripte)

»Andrea Winkler, die neben Germanistik auch Theaterwissenschaft studiert hat, entwirft eine Chroreografie, die ihre eigenen Gesetze hat.« (Carola Wiemers, Deutschlandradio)

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