Buchcover
Henri Michaux

Im Lande der Zauberei & Hier Poddema

1996
engl. Broschur , 15 x 21 cm
132 Seiten
Aus dem Französischen und mit einem Nachwort von Rainer G. Schmidt.
ISBN: 9783854204114
€ 20,00

AUTOREN

Textauszug

Die interessantesten Dinge im Land bekommt man nicht zu Gesicht. Man kann sicher sein, sie nicht gesehen zu haben. Sie nebeln sie ein. So ist mir die Bundeshauptstadt unzugänglich, unsichtbar geblieben, obwohl man mir, ich weiß nicht wie oft, den Weg gezeigt hat und ich gewiß eine Woche lang fast auf sie gestoßen wäre.
Sie haben drei Arten von Nebel (ich spreche von den Hauptnebeln); und der dritte reicht schon aus, um einen daran zu hindern, das eigene Pferd zu sehen, das man besteigt. Der nächstfolgende ist so konsistent, daß man meinen könnte, in einer Lawine weißen Sandes eingeschlossen zu sein. Um herauszubekommen, ob dies echte Nebel sind, achte man darauf, ob sie auf Wind folgen. Wenn nicht, sind es Zaubernebel. Doch kann es sein, daß der Wind ebenfalls magisch ist. Ich sage das, weil es ein möglicher Einwand zu sein scheint. In Wirklichkeit erzeugt ein Zauberer nicht zugleich Nebel und Wind, wobei mir der Grund dafür übrigens unbekannt ist.
Ihr Nebel könnte einen vollauf verrückt machen. Dieses völlige Fehlen von Anhaltspunkten: man sieht ein Blatt, eine Pfote, eine Schnauze, doch unmöglich, den Strauch zu erkennen, das Tier.
Ein gewisser Kral, dessen Vertrauen ich genoß, lieh mir seine Anti-Nebel-Brille. Er mußte wohl irgendeinen Sehfehler gehabt haben, denn die Wesen und Dinge erschienen mir in einem derartigen Gewaber, daß ich dadurch jegliche Orientierung verlor. Mißmutig gab ich ihm seine Brille zurück. Ich hätte sie behalten sollen.

Michaux betreibt eine Art fiktive Ethnografie, der unüberhörbare satirische Elemente eigen sind.

Die surrealistische Freude des Autors an absurden, witzigen, überraschenden Einfällen ist dem Land der Zauberei anzumerken, so etwa können einem auf der Landstraße plötzlich vereinzelte Meereswellen begegnen …

Hier Poddema ist hingegen eine Schreckensvision, ein Reflex der Anthropologie des gerade untergegangenen NS-Regimes, eine Fantasie, die weit vorausweist in das Zeitalter der Genmanipulationen.

Presse

»Seine Geschichten können als erzählerische Entsprechungen zu den surrealistischen Vexierbildern eines René Magritte gelesen werden.« (Max Grosse, Literatur)

»Mit der spielerischen Leichtigkeit, dem humorvollen und hintergründigen Sprachwitz dieser originellen Zauberstücke kontrastiert der Zynismus des zweiten Textes Hier Poddema, einer gigantesken Fantasie«. (Deborah Keller, Tages-Anzeiger)

Hier Poddema »entfaltet mit nachgerade unerträglicher, an Kafka, an Beckett erinnernder Insistenz und Konsequenz die Vision einer totalitären Despotie, in der Menschenverachtung, Menschenschinderei, Menschenfresserei zur Alltagsnormalität gehören.« (NZZ)

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