Buchcover
Werner Schwab

In harten Schuhen

Ein Handwerk
1999
gebunden , 13 x 21 cm
184 Seiten
Mit einem Nachwort von Marlene Streeruwitz.
ISBN: 9783854205166
€ 23,00

AUTOREN

Textauszug

IN DER FRÜH ist einem schlecht.
augen in den tränen
abends und nachts: angst
ich bin noch jung

Nachdem ich die ärgste Fleischangst abgestickt hatte, konnte ich wenigstens zwischen zwei Schlagerdummheiten aufsummen, kurz aufhören mit der lustigen Qual und ausdrücklich sagen, daß ich mir ein neues Persönlichkeitsflußbett graben muß. Das Wasserbett, in dem es einmal fließen soll, wird wohl ein schon gehabtes sein, aber ein verbessertes – einfach ein Fleck mit viel mehr Möglichkeiten.

Kein wirkliches Wasserbett kann es geben, keine Richtigkeit, die man zur Erlösung hineinfressen könnte. Es ist mir schlecht geworden unter den Mutterbuchen, unter die ich glaubte zurückgekehrt zu sein. Mit dem mürben Schädel, der mir gekommen ist, konnte ich auch wirklich das Muttergrün herunterstürzen sehn, und ich wurde ein Landmann unter den Buchen, ein Mutterbuchenförster, der Buchenwälder anlegte.

Aus dem Stadtwald bin ich fortgelaufen – wohlweislich, wie ich dachte, nur früh genug, sagte ich immer – hinunter jetzt in den Buchensüden, nachschauen, ob der Stamm innen mein Fleischrot hat, und ob ich etwas ablesen kann aus dem Land, das mich herausgepreßt hat.

Im Nachlass von Werner Schwab fanden sich, in Maschin- und Handschrift, auch die Blätter und Hefte eines von 1980 bis 1983 kontinuierlich geführten Arbeitsbuches. Darin trug Schwab tagebuchartig Prosatexte ein, die den Leser heute verblüffen: Der junge Kunststudent erfand sich, völlig zurückgezogen auf einem abgelegenen Hof in der Oststeiermark lebend, eine eigene Sprache, unbeeinflusst von allen damals praktizierten literarischen Jargons.

Der Alltag, das Schreiben, die Selbstfindung – und der Alltag der Selbstfindung –, das ist der Stoff dieser Aufzeichnungen. »Ich bin mir selber wegen des Stils zuwider genug, wegen des Zwangs«, und: »Ich möchte bescheidener herumschlagen wollen«, notierte Schwab in seiner typischen Paradoxie. Eine rohe Welt voller Verletzungen, grimmiger Witz, Selbständigkeit und Unerschrockenheit sind die Merkmale schon dieser frühen Zeugnisse eines der wichtigsten Autoren der 90er Jahre.

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