Buchcover
Sissi Tax

je nachdem

2001
gebunden in Schuber , 14 x 21 cm
66 Seiten
ISBN: 9783854205722
€ 150,00

AUTOREN

Textauszug

sich haarscharf den geist vom leib halten ist notwendig, da aus dem leib einiges herauskommt. Aus dem geist ja nicht. Sich haarscharf den geist vor den leib zu halten ist notwendig, da vom leib einiges absteht. vom geist ja nicht. sich haarscharf den leib vor den geist zu halten ist notwendig, da der leib etwas hält. der geist ja nicht.
mein leib läßt zu wünschen übrig. mein leib, diese arme haut. gnadenlos, unbarmherzig und unerbittlich läßt er als arme haut zu wünschen übrig. bisweilen fast alles. fast alles, da alles auch dem leib nicht zu wünschen gegeben ist. das ist bisweilen zum aus der haut fahren, bisweilen ist es nicht zum aus der haut fahren.
das von meinem leib gnadenlos, unbarmherzig und unerbittlich zu wünschen übriggelassene gleicht um haaresbreite jenem vom geist zu wünschen übriggelassenen. haarscharf. haarscharf um eine haaresbreite, um zwei haaresbreiten, drei haaresbreiten, es sei dahingestellt. auf jeden fall um die eine haarscharfe haaresbreite, die den leib vom geist trennt. meinen leib von meinem geist. um diese eine haaresbreite, in der fast alles sich voneinander unterschieden aufhebt. fast alles. haarscharf.
sich haarscharf den geist vom leib zu halten ist bisweilen notwendig. eine bittere, doch unabdingbare notwendigkeit. sich den leib vor dem geist zu erhalten ist eine andere notwendigkeit. es ist die notwendigkeit der not. wenn der leib vom fleisch fällt.
mein leib fällt vom fleisch, wenn er nichts und auch nichts mehr zu wünschen übrig läßt. dann bleibt nur mehr der wunsch, fast alles bliebe zu wünschen übrig.

10 Exemplare, mit einem Diptychon mit mehrzeiligem Autograf, signiert und numeriert.

»Auf des Messers Schneide ist gut ruhn«, behauptet die Dichterin, und dergestalt unbequem sind die Gratwanderungen, die sie mit ihrem neuen Buch vollzieht. Wenn ein Text sich vor einem ausbreitet und dann mit einem »… oder auch nicht« endet, dann ist das wohl Unentschlossenheit bis zum äußersten, oder auch, anders betrachtet, ein Fall von Mehrperspektivigkeit, von Dialektik, von Drehen und Wenden. Sissi Tax gerät in ihren Erörterungen existenzieller Fragen grundsätzlich vom hundertsten ins tausendste und schreibt sich in Strudel und Wirbel hinein (»was das alles in allem nun heißt, sei, da es leichter dahergesagt als vorgestellt ist, dahingestellt«), dass dem Leser Sehen und Hören vergeht – je nachdem.

Gewiss ist das alles sehr witzig (»was aber auch nicht lustig ist«), andererseits sind die Prosastücke von Sissi Tax aber bewegend wie richtige Romane und (kein Widerspruch!) lapidar, gründlich und erschöpfend wie die Systematik von Wittgensteins Tractatus, »eine anatomie des sprachleibes aus fleisch und fürwort, blut und vorwort, mark und hilfsverb, bein und stein, haut und beiwort, haar und beistrich«, sagt Sissi Tax.

Das Unübersetzbare, das Idiomatische, das Unverwechselbare jeder eigenen Sprache (in diesem Fall auch des Deutschen und des Österreichischen) hat es der Autorin angetan – und was ihr da angetan wurde, das zahlt sie der Literatur mit Sprachspiel und nie versiegendem Witz zurück.

Presse

»Ein fulminantes Wortspiel mit ersten und letzten Fragen.« (Aargauer Zeitung)

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