Buchcover
Bettina Balàka

Messer

2000
kartoniert , 11,5 x 18 cm
36 Seiten
ESSAY 43
ISBN: 9783854205531
€ 7,50

AUTOREN

Textauszug

In einem genialen dialektischen Kurzschluß werden die Fakten des Patriarchats mit dem Vokabular der Frauenbewegung verkleidet und dadurch umgedeutet, sodaß die Frauen nun genau dasselbe wie schon seit Jahrhunderten tun (etwa ihre Körper verstümmeln und verkaufen), nur daß man ihnen heute sagt, dies wäre ein Zeichen ihrer Selbstbestimmung und Stärke, wobei es noch besser ist, wenn Frauen dies anderen Frauen sagen, und am allerbesten, wenn Frauen es von sich selbst sagen. Und sie tun es, sie kaufen und sie fressen diese argumentative Fopperei. Und zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit werden Dinge behauptet wie: »Die Frau ist für ihren Orgasmus selbst verantwortlich«, was natürlich in anderen Worten bedeutet, der Mann braucht sich beim Sex wieder, wie schon dereinst, nur um sein eigenes Vergnügen zu kümmern, die Frau soll gefälligst durch Kegelübungen und Mentaltraining und Einschnitten an der Vulva zum Orgasmus kommen, […] also soll sie sich anstrengen und vom Mann nichts verlangen, denn gerade das Sich-alleine-Anstrengen und Vom-Mann-nichts-Verlangen ist ja ein Zeichen ihrer Macht. Und diese Fähigkeit des Patriarchats, die Frauen immer wieder derart genial zu verarschen, daß sie es immer wieder fressen und kaufen, und dieser umfassende Gesamtsieg des Patriarchats nach hundert mühsamen Jahren der Frauenbewegung […] ist so beeindruckend und überwältigend, daß man nur in einen tiefen Hofknicks sinken kann und seufzen: Taktisch, Burschen, und strategisch und überhaupt, seid ihr uns so unglaublich überlegen, daß wir hiermit Stimmen und Hände senken und resignieren. Ihr habt so schnell gelernt, […] ihr habt uns widerstandslos die »Macht« und die »Selbstbestimmung« als Worte überlassen, […] wir haben es gekauft und gefressen, ihr habt gesiegt, gesiegt, gesiegt und bewiesen: Frauen sind einfach eindeutig tatsächlich das bescheuertere Geschlecht.

»Die Angst vor dem Verschwinden wie auch das nicht selten verzweifelte Begehren, sich als (weibliches) Subjekt zu konstituieren« (DerFreitag), entdeckte die Kritik als zentrale Motive in Bettina Balàkas Debütroman. Um die Herstellung des Subjektes in einem ganz physischen Sinn geht es auch in ihrem mit dem Österreich-1-Essay-Preis ausgezeichneten Text Messer.

Wie mit den Mitteln der plastischen Chirurgie unsere Körper – und das heißt, entgegen anderslautender Propaganda, vor allem die Körper der Frauen – geöffnet und neu gestaltet werden, wie in den allgegenwärtigen Talkshows die bisher gültigen Bereiche von Innen und Außen abgeschafft werden, darin sieht Balàka nicht nur Symptome eines sich wandelnden Öffentlichkeitsbegriffs, sondern vor allem die Intensivierung des Kampfes gegen weibliche Selbstbestimmung. In einer wütenden Attacke wendet sie sich nicht nur gegen die Messer in der Hand der Chirurgen, sondern gegen die Messer im Kopf der Frauen selbst, »mit ihren Korsettkörperchen und angepaßten Gedanken, die im Fernsehen flöten: ›Wir haben so viel Freiheit wie nie zuvor!‹«

Die Polemik von Bettina Balàka richtet sich aber auch gegen eine Sprache, die mit pubertärer Freude am politisch Inkorrekten wieder die längst abgeschafft geglaubten Diffamierungen des (auch hier in erster Linie weiblichen) Geschlechts inthronisiert.

Presse

Im Essayband Messer  wird »aufräumt mit den neoliberalen Beschönigungen der Tatsache, daß das Patriachat des 21. Jahrhunderts – kommerziell erfolgreich – die Messer wetzt und sich die Frauen (…) zurechtstutzt.« (Helga Pankratz, an.schläge)

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